Martin Leupold

Schulleiter der Grundschule Wendisch Evern
Martin Leupold Porträt

"Spätestens die Corona-Krise, die das Schulsystem, das seit vielen Jahrzehnten gefestigt ist, kalt erwischt hat, macht deutlich, dass wir durchweg in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland Nachholbedarf haben, was die Nutzung verschiedener Soft- und Hardware in Grundschulen angeht."

Ihr erstes Computerspiel?

Elektro-Freddy! Damals noch auf einem CPC 464 mit eingebautem Datasette-Laufwerk. Freddy musste Elektroartikel auf ein Fließband schieben, ohne dass ihn herunterfallende Tastaturen berührten. Außerdem war noch eine weitere Figur auf dem Bildschirm, die Freddy ebenfalls mit Tastaturen in horizontaler oder vertikaler Richtung abwarf.

Wie war Ihr Eindruck? Wie hat Sie das geprägt?

Dieses erste Spiel war für mich mit Ausgangspunkt für meine Computer-Affinität. Geschicklichkeit stand hier im Vordergrund. Bei ähnlichen Spielen, die bis heute meine Favoriten blieben, kam dann noch Logik dazu. Sie vermitteln Freude am Spiel.

Welchen Anteil nimmt das Digitale heute in Ihrem Leben ein?

Spiele haben für mich keine große Bedeutung mehr, jedoch der Computer selbst und andere Medien. Im Rahmen der Publikation (Unterrichtsvideos auf der Internetseite der Schule), der Kommunikation mit der Welt (Internetseite oder E-Mail), der Recherche (für Unterrichtsvorbereitungen oder die Schulqualitätsentwicklung) und insbesondere der Kollaboration mit Kollegen oder Freunden (per E-Mail, Wiki, Videokonferenz oder auch WhatsApp-Chat).

Worin besteht zum einen Ihrer Meinung nach die Faszination, zum anderen die Qualität digitaler Medien?

Die verschiedenen digitalen Medien faszinieren die Kinder unterschiedlich. Jedes Kind hat seine eigenen Beweggründe dafür, warum es sich von ihnen angesprochen fühlt. Einige Medien faszinieren einige Kinder vor allem deshalb, weil sie überhaupt funktionieren. Die Funktionsweise weckt im Kind Neugierde. Zum anderen liegt die Faszination auch in den Chancen, die sich aus ihrer Nutzung ergeben. Viele Kinder fragen immer wieder nach den Dingen, die sie in der Welt sehen und wahrnehmen. Hilfsangebote, die ihnen helfen, die Welt um sie herum zu verstehen, ziehen sie an. Eine weitere Gruppe von Kindern fühlt sich deshalb von Medien angezogen, weil diese es ihnen ermöglichen, schnell und unkompliziert, unabhängig von Raum und Zeit mit Freunden zu kommunizieren und sich auszutauschen.

Die Qualität digitaler Medien liegt meines Erachtens zum einen darin, dass sie so dermaßen vielseitig sind. Viele individuelle Wünsche und Begehrlichkeiten können umgesetzt werden, ohne dass das Medium selbst gewechselt werden muss. Zum anderen provozieren gute Medienangebote eine aktive Beteiligung an den Medien und bieten Kindern die Möglichkeit, aus der Rolle des Konsumenten in die Rolle des Produzenten zu wechseln.

Was möchten Sie Eltern zu diesem Thema auf den Weg geben?

Die meiste Zeit nutzen Kinder und auch Erwachsene digitale Medien in der Rolle der Konsumenten. Das Wichtigste, was meines Erachtens Eltern ihren Kindern deshalb mit auf den Weg geben können, ist der Wechsel von der Rolle des Konsumenten in die Rolle des Produzenten. Digitale Medien bieten immens viele Möglichkeiten und auch Chancen, die Medien selbst und damit auch die Medienwelt anderer Kinder zu gestalten und zu beeinflussen. Dafür müssen die Kinder lernen, die Produktionsmechanismen zu kennen und sie für sich nutzen zu können. Eine medientechnische Grundbildung ist deshalb wesentlicher Bestandteil ebenso wie beispielsweise die Kenntnis darüber, welche Wirkungsweisen verschiedene Medien haben.

Was raten Sie Kindern im Umgang mit der digitalen Welt?

Der wohl wichtigste Hinweis sind die Chancen, die sich aus der Nutzung digitaler Medien ergeben. Kindgerechte Angebote für Recherche, Publikation oder für Kommunikation erweitern die Welt der Kinder ungemein. Kinder müssen sich trauen, sie für die Beantwortung der Fragen zu nutzen, die sich ihnen in der realen Welt stellen. Die allein im Internet angehäuften Datenmengen sind voll von Informationen zu natürlichen Phänomenen. Die Kinder müssen Bedarfe anzeigen, an mehr kindgerechter Aufbereitung!

Eignen sich digitale Spiele für die Bildung?

Schülerinnen und Schüler der Grundschulen sollen von uns Lehrern dazu befähigt werden, im Unterricht über Fachinhalte zu kommunizieren, dabei zu argumentieren und ihr angehäuftes Fachwissen zu präsentieren. Diese Aspekte nehmen einen großen Anteil ein in den curricularen Vorgaben der Länder. Alle digitalen Spiele, die den Kindern die Möglichkeit bieten, sich mit Freude Lerninhalte anzueignen und gleichzeitig Anregungen bieten, diese Lerninhalte produktiv für Bildungsprozesse einzusetzen, sind nicht nur wünschenswert, sondern in besonderem Maße dafür geeignet, Kinder in ihrem schulischen Lernprozess voranzubringen.

Was hat Ihnen die Coronakrise gezeigt?

Spätestens die Corona-Krise, die das Schulsystem, das seit vielen Jahrzehnten gefestigt ist, kalt erwischt hat, macht deutlich, dass wir durchweg in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland Nachholbedarf haben, was die Nutzung verschiedener Soft- und Hardware in Grundschulen angeht. Ebenso wenig hat unser bisheriges Schulsystem die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schülerinnen und Schüler speziell dieser Schulform dazu befähigt, Nutzen aus den digitalen Medien zu ziehen. Das volle Potenzial entfalten diese nämlich erst, wenn die Nutzerinnen und Nutzer – sowohl diejenigen, die sie zur Verfügung stellen, als auch diejenigen, die sie „konsumieren“ – ausreichend befähigt sind, sie für den Bildungsprozess der Lernenden sinnvoll zu gestalten und zu benutzen.

Von einigen meiner Kolleginnen und Kollegen höre ich, dass sie Schule endlich wieder so machen wollen, wie es „vor Corona“ mal war. Ich dagegen wünsche mir eine Schule, die „nach Corona“ endlich verstanden hat, dass Lernen in der Schule auch anders geht. Die Medien, die wir in Zukunft benötigen, sind solche, die den Bildungsprozess als engmaschigen Dialog zwischen Lehrendem und Lernendem verstehen. Sie aktivieren den Bildungsprozess, indem sie dem Lernenden mehr Eigenverantwortung für seinen Lernprozess übertragen. Sie schaffen Transparenz für den von ihm bereits vollbrachten Fortschritt und sie gewährleisten damit auch eine Grundlage für eine Bewertung durch einen Lehrenden.

Da Lernen auch Veränderung bedeutet, müssten ebenso auch die Softwareangebote der Zukunft höchst anpassungsfähig sein. Da Lernen immer auch ein sozialer Prozess ist, sollten sie über ein reines Übungsmaterial hinausgehen und die Lernenden mit den Lehrenden in Verbindung bringen. So kann Software und auch Hardware das volle Potenzial entfalten!