Dr. Lisa König

Akademische Mitarbeiterin für Literatur- und Mediendidaktik
am
Institut für deutsche Sprache und Literatur 
Pädagogische Hochschule Freiburg
Zentrum für didaktische Computerspielforschung (www.zfdc.de)

Fabienne Zähringer Porträt

"Kinder und Jugendliche können nur dann zu kritischen Geistern heranwachsen, wenn sie die Möglichkeit bekommen, Dinge auszuprobieren – das gilt bei Medien genauso wie bei der Erschließung von Naturphänomenen oder dem Fahrrad fahren auch."

Ihr erstes Computerspiel?

Das ist vielleicht ein bisschen ungewöhnlich, aber das erste Computerspiel, mit dem ich in Kontakt gekommen bin, war Tomb Raider III – Adventures of Lara Croft aus dem Jahr 1998. Ich war damals vier Jahre alt und habe oft meinem Vater zugesehen, der das Adventuregame auf dem PC im Wohnzimmer gespielt hat. Anfänglich war das meinen Eltern überhaupt nicht recht, aber nachdem ich die Geschichte rund um die mutige Abenteurerin so spannend fand, durfte ich die Rätsel- und Kletterpassagen zusammen mit meinem Vater lösen. Das war großartig.

Wie war Ihr Eindruck? Wie hat Sie das geprägt?

Auf jeden Fall das gemeinsame Spielen mit meinem Vater! Jedes Mal, wenn ich Lara Croft seither durch ihre neuen Abenteuer begleitet habe, bekomme ich ein ganz warmes Gefühl und möchte gar nicht mehr aufhören zu spielen. Seither habe ich einfach eine große Vorliebe für Rätsel- und Adventurespiele, die spannende Geschichten durch interaktive Zugangsweisen erzählen.

Welchen Anteil nimmt das Digitale heute in Ihrem Leben ein?

Definitiv einen großen. Zum einen stellen Fragen des Digitalen und auch der Digitalisierung zentrale Bereiche meiner Arbeit als Literatur- und Mediendidaktikerin dar. Wie werden beispielsweise Geschichten von morgen erzählt? Was macht das mit Kindern und Jugendlichen? Wie lassen sich die Potenziale des Digitalen für das Lernen nutzen und auf welche Stolpersteine muss man achten? Zum anderen bin ich aber auch in meinem Alltag vom Digitalem umgeben – insbesondere von digital erzählten Geschichten. Als Computerspielforscherin passiert das beinahe automatisch, alleine schon durch die Sichtung aktueller Neuerscheinungen im Gaming-, App- aber auch Virtual-Reality-Bereich.

Worin besteht zum einen Ihrer Meinung nach die Faszination, zum anderen die Qualität digitaler Medien?

Sowohl die Faszination als auch die Qualität gehen eng mit der Mehrkanaligkeit der jeweiligen Formen einher. Digitale Medien nutzen – anders als Bücher – mehrere Zugangsweisen, um ihren Inhalt zu präsentieren. Dabei ist es egal, ob es um Wissensvermittlung, wie beispielsweise in Sachkundeapps, geht oder ob digitale Geschichten in interaktiven Bilderbüchern oder Computerspielen erzählt werden. Was für besonders starke Kinder eine weitere, spannende und motivierende Zugangsweise eröffnet, stellt für Kinder, die sich noch am Anfang von Erschließungsprozessen befinden, oder sich bei manchen Dingen noch schwer tun, ein großes Stützsystem dar: Sie können auf unterschiedliche Informationsquellen zugreifen, sich beispielsweise anhören, wie ein Vogel klingt, sehen, wie sich zwei Figuren miteinander unterhalten oder interaktiv eingreifen und eigene Entscheidungen treffen. Eröffnen digitale Medien durch ihre Machart derartig verwobene Erfahrungsräume, ist das schon einmal ein ziemlich gutes Zeichen.

Können Sie Ihre Arbeit für Mentor beschreiben?

Der Verein „Mentor – Die Leselernhelfer e.V.“ hat sich der Leseförderung von Kindern und Jugendlichen verschrieben. Unter dem Dach des Bundesverbandes engagieren sich knapp 12.500 ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren, die einmal in der Woche in die Schule gehen und mit einem Kind gemeinsam lesen und auch in weiterführenden Projekten zusammenarbeiten – zum Beispiel ganz aktuell im Projekt „Digitaler Treffpunkt der Generationen“, in welchem die Mentorinnen und Mentoren gemeinsam mit den Kindern auf dem Tablet lesen. In meiner akademischen Familie ist es beinahe schon Tradition, dass wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Verein bei Projekten unterstützen oder beratend zur Seite stehen. Im „Digitalen Treffpunkt der Generationen“ bin ich daher auch zusammen mit meinem Kollegen Jan Boelmann im Expertenteam tätig. Hierbei haben wir einen Appbaum entwickelt, welchen die Mentorinnen und Mentoren nutzen, um Apps für ihre Lesestunden auszuwählen, wobei entweder das Lesen, das Geschichtenverstehen oder das Spielen im Mittelpunkt steht. Darüber hinaus führen wir die Begleitforschung zum Projekt durch und finden heraus, was Kleinode innerhalb des Projekts sind oder welche Wünsche die Mentorinnen und Mentoren noch haben.

Wie können Kinder Medienkritik lernen?

Das Schlagwort lautet auch hier: Erfahrungen sammeln. Kinder und Jugendliche können nur dann zu kritischen Geistern heranwachsen, wenn die Möglichkeit bekommen, Dinge auszuprobieren – das gilt bei Medien genauso wie bei der Erschließung von Naturphänomenen oder dem Fahrrad fahren auch. Und ähnlich wie bei anderen Dingen ist es auch beim Umgang mit Medien wichtig, dass Möglichkeiten zum Austausch bestehen. Gemeinsam das Gesehene, Gehörte oder auch Erspielte zu reflektieren und auch kritisch zu hinterfragen ist unglaublich wichtig. Ansonsten verbleiben die Erfahrungen im luftleeren Raum, die nicht angebunden, verarbeitet oder in einen Kontext eingebettet werden können.

Was ist bzw. macht das Zentrum für didaktische Computerspielforschung?

Das Zentrum für didaktische Computerspielforschung (www.zfdc.de) ist ein interdisziplinäres Forschungszentrum, dass wir im Oktober 2019 an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg gegründet haben. Dort erforschen wir die unterschiedlichen Potenziale, aber auch Herausforderungen digitaler Bildschirmmedien – von aktuellen, aber auch klassischen Computerspielen bis hin zu neueren Formen wie Augmented oder Virtual Reality. 
Neben der empirischen Forschung ist unser zweiter Schwerpunkt der Bildungsbereich. So sind wir in der Lehreraus-, fort- und -weiterbildung tätig, führen bundesweit Workshops durch oder bringen unseren Studierenden vor Ort im GameLab die Themenbereiche rund um Gaming und Lernen näher. In unseren didaktischen Let’s Plays „Computerspiele für den Unterricht“ besprechen wir außerdem Spiele, die sich für den Unterricht eigenen und was man bei der Einbettung beachten muss.
Der dritte Schwerpunkt bildet unser Thinklab, in welchem Konzepte für den Unterricht entwickelt, Medienprojekte geplant oder auch Nachwuchsforscherinnen und Forscherin in unserem Fellowshipprogramm unterstützt werden.

Was möchten Sie Eltern zu diesem Thema auf den Weg geben?

Machen Sie das, was Sie ohnehin mit Ihren Kindern machen und wir Ihnen deswegen eigentlich gar nicht sagen müssen: Sprechen Sie mir Ihren Kindern, tauschen sich aus und verbringen gemeinsam Zeit. Sie kennen Ihre Kinder und ihre Kinder kennen sich selbst auch ziemlich gut. Unterstützen Sie sie in Ihrer Neugier und probieren Sie gemeinsam Dinge aus, sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt. Gehen Sie mit digitalen Medien einfach genauso um, wie auch mit Büchern, die Sie mit Ihren Kindern lesen würden – da nehmen Sie auch nicht jeden Schund, sondern Sie suchen liebevoll gestaltete und spannend erzählte Geschichten aus. Wenn wir alle dieselben Qualitätskriterien an digitale Medien haben, wie an andere Formen auch, kann eigentlich gar nichts schief gehen.

Was raten Sie Kindern in Umgang mit der digitalen Welt?

Eigentlich muss man euch gar nichts raten, weil ihr uns Erwachsenen meistens erzählt, was ihr gut findet und was nicht und wir nur zuhören müssen. Wenn es aber ein Rat sein soll, ist es derselbe, den man auch in der analogen Welt geben könnte: Seid mutig und neugierig und probiert Dinge selbst aus. Gerade das Ausprobieren und Entdecken macht großen Spaß und es hilft auch dabei, manche Dinge ein bisschen besser zu verstehen.